Selbstständigkeit hat in den Köpfen der Deutschen einen viel zu geringen Stellenwert und wird oft gar nicht als Alternative zu einem Angestelltenverhältnis wahrgenommen. Von Freunden und Verwandten wurde die Idee ein eigenes Unternehmen zu gründen anfangs belächelt und mit Fragen wie “Hast du dir das gut überlegt?”, “Wovon willst du Leben?” und “Warum fängst du nicht bei [IRGENDEIN GROßES UNTERNEHMEN] an? Die zahlen bestimmt gut.” mir mangelnde Vernunft unterstellt. Nun sind diese Fragen nicht unberechtigt. Tatsächlich sollte man sich als angehender Unternehmer genau damit auseinandersetzen (dazu ein andermal mehr).
Warum diese Zweifel?
In der Schule und selbst in einem BWL-Studiengang werden einem entweder die Tugenden eines guten Arbeiters oder die eines Managers vermittelt. Selten erfährt man etwas darüber, was es bedeutet, selbstständig tätig zu sein. Das mag daran liegen, dass Lehrer wie Professoren, selbst angestellt, nur in wenigen Fällen die Vorzüge eines eigenen Unternehmens kennenlernen. An meiner Hochschule wurde damals lediglich ein 2-wöchiges Gründerseminar angeboten, das sich mehr mit den Rechtsformen als mit den betriebswirtschaflichen Problemen eines Startups auseinandersetzte.
Dann meiden Menschen von Natur aus unbekannte Dinge, wenn es einen vorhersehbaren Weg, d. h. ein geregeltes Arbeitsverhältnis mit festen Arbeitszeiten und festem Gehalt gibt. Ein Arbeitsvertrag und eine gesetzliche Altersvorsorge sind auf dem ersten Blick sicherlich verlockend, birgt die Selbstständigkeit doch ein gewisses Risiko. Wird man allerdings gekündigt, sitzt man ganz schnell mit leeren Händen da. Die verrichtete Arbeit gehört der Firma und was bleibt ist eine gewisse “Arbeitserfahrung”. Genauer gesagt, man kennt Arbeitsabläufe eines Unternehmens, in dem man nicht länger beschäftigt ist.
An dieser Stelle möchte ich auf Sichtweisen von Unternehmern eingehen, die ich in Gesprächen erfahren habe und die mich vor Jahren überzeugt haben, selbigen Schritt zu tun.
Verdiene dein Geld im Schlaf
Zugegeben, die Überschrift ist populistisch formuliert. Dabei geht es gar nicht ums große Geld, gemeint ist die Trennung der Arbeitszeit vom Einkommen. Ein Angestellter der am nächsten Tag nicht bei der Arbeit erscheint, wird nicht bezahlt und verliert im schlimmsten Fall sogar seine Stelle. Er tauscht seine Arbeitszeit gegen Geld.
Ein Selbstständiger hingegen tauscht seine Leistung gegen Geld. Das schöne an einer Leistung ist, dass diese unabhängig von der Arbeitszeit des Selbstständigen erfolgen kann. Als freiberuflicher Entwickler verdient man z. B. mit jedem Verkauf einer App aus dem App-Store. Die Entwicklung der Software erfolgt dabei nur einmalig. Ein Schriftsteller/Blogger kann seine Beiträge, Bücher, etc. noch lange nach dem Verfassen vermarkten. Ein Webdesigner kann seine Designs ebenfalls weiter verkaufen oder als Grundlage zukünftiger Projekte nutzen.
Nun ist dies das langfristige Ziel eines jeden Unternehmers und wird nicht sofort nach der Gründung erreicht. Bei vinett-video waren wir erst nach einem Jahr so weit, dass wir Aufgaben des Tagesgeschäfts, wie das Kassettenwechseln und den Videoschnitt Aushilfen übergeben konnten. Mit Automatisierung der Arbeitsabläufe wurden Tätigkeiten auch oder vor allem durch Maschinen, wie einem Disc Publisher übernommen. Hat man diese Schwelle erst erreicht, wird es tatsächlich möglich, Geld im Schlaf zu verdienen. Die Idee besteht darin, nicht selbst zu arbeiten, sondern arbeiten zu lassen. Nach Möglichkeit immer von einer Maschine.
Selbstverwirklichung
Als Job-Einsteiger mit Karriereabsichten ist man bestrebt die übertragenen Aufgaben zu 120% zu erfüllen, mehr zu tun als die Kollegen, mehr als von der Stelle verlangt wird, um sich so für eine höhere zu qualifizieren. Ob und wann ein Aufstieg ermöglicht wird, hängt dabei ganz von den Absichten des Chefs ab. Im schlimmsten Fall wird die Karriere blockiert und man erhält weder mehr Gehalt und noch mehr Anerkennung als Kollegen, die weit weniger tun. Dies führt zwangsläufig irgendwann zur Resignation und zum Motivationseinbruch.
Dann gibt es da noch Menschen, die acht Stunden am Tag einer Tätigkeit nachgehen, die sie nicht befriedigt. Manche müssen mit Mitarbeitern und Vorgesetzten zusammenarbeiten, mit denen sie sich nicht verstehen. Das morgendliche Aufstehen wird zur Qual und die Frustration im Job überträgt sich nicht selten ins Private. Als einzigen Ausweg werden die Wochenenden und der eigene Urlaub gesehen. Ein ziemlich kurzer Zeitraum bezogen auf ein ganzes Arbeitsleben. Diese Menschen verbannen Ihren Beruf vollständig aus Ihrem Leben und verschwenden damit ihr wertvolle Zeit.
Selbstständigkeit hingegen basiert auf einem gewissen Interesse an einer Tätigkeit. Meist kommt man aus dem Bereich oder betreibt etwas als Hobby. Als Beispiel sei Ludwick Marishane aus Limpopo genannt, der ein Geschäft einzig aus der Motivation gründete, nicht mehr Baden zu müssen. Aufgrund der Begeisterung an einer Idee, ist nicht nur die Arbeit motivierend, sie verspricht auch erfolgreich zu werden. Dabei ist es unwichtig, ob die Motivation aus der Tätigkeit an sich, der freien Aufgabengestaltung oder dem Geschäftemachen mit anderen rührt. Und das Gute ist, nervige Kunden sieht man nur einen begrenzten Zeitraum oder kann ihnen sogar aus dem Weg gehen und einen Chef, den gibt es nicht.
Persönliche Entwicklung
In der BWL gibt es die Theorie der Lernkurve, mit der Produktivitätssteigerungen im Produktionsverlauf gern wissenschaftlich erklärt werden: Je öfter ich etwas tue, umso besser und schneller werde ich. Zunächst in großen Schritten und dann in kleinen. Hier möchte ich diese Erfahrungskurve mal anders interpretieren und auf die Zeit eines Angestelltenverhältnisses anwenden. In den ersten Wochen erfährt man viel Neues, lernt die Aufgaben, Methoden sowie Menschen in seinem Arbeitsumfeld kennen. Irgendwann kommt aber der Tag, an dem sich Routine einstellt, die Aufgaben sich wiederholen und man neue Herausforderungen vergebens sucht. Sofern man nicht aufsteigt oder die Position wechselt, macht sich für Lernbegeisterte Unzufriedenheit breit.
Ein Selbstständiger hingegen ist ständig auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, die Produktivität zu erhöhen, einen besseren Service zu liefern und Arbeitsabläufe zu vereinfachen. Da man als Startup meist allein oder in einem kleinen Team arbeitet, gehören dementsprechend unterschiedlichste Tätigkeiten zum Aufgabenspektrum, wobei sich der Schwerpunkt von Zeit zu Zeit verschiebt. Dazu gehört u. a. die Weiterentwicklung des Produkts, Marketing, Conversionoptimierung, Vorträge in kleineren Rahmen oder Networking. Zwangsläufig entstehen während der Zeit auch ganz neue Probleme mit denen sich Unternehmer auseinandersetzen müssen. Spätestens nach der zweiten Mitarbeiteranstellung macht man sich über Prozessbeschreibungen und Führungsstile Gedanken. An all diesen Herausforderungen wächst nicht nur der Erfahrungsschatz, sondern natürlich auch immer die eigene Persönlichkeit.
Ich möchte nicht bestreiten, dass dies in einem Angestelltenverhältnis nicht auch möglich ist, allerdings besteht dazu oft kein Anreiz. Neue Dinge zu erlernen, die über die Erfüllung des Jobs hinausgehen und den eigenen Arbeitsablauf vereinfachen oder sogar überflüssig machen werden selten honoriert. Selbst wenn man für seine Aufgaben nur noch die Hälfte der Zeit benötigt, stehen im Arbeitsvertrag nach wie vor 8h/Tag. Meist schafft man sich also nur mehr Arbeit bei gleichem Lohn, was einer Weiterentwicklung eher schadet.
Geringes finanzielles Risiko
Noch nie war es so einfach sich als Softwareentwickler, Designer oder Künstler selbstständig zu machen. Viel mehr als einen Rechner, den ohnehin fast jeder besitzt, wird nicht benötigt. Der finanzielle Einsatz beschränkt sich meist auf einen Server, welcher nicht mehr als 10-15 Euro im Monat kostet. Sofern man alleine arbeitet oder Platz zu Hause hat, kann auf die Anmietung einer Bürofläche in der Anfangsphase ebenfalls verzichtet werden. Für kapitalintensivere Geschichten besteht die Möglichkeit, sich über Venture-Capital zu finanzieren oder seine Idee auf eine der zahlreichen Crowdfunding-Plattform, wie visionbakery zu präsentieren.